ABBA performen als Gewinner des Eurovision Song Contest 1974 ihren Wettbewerbssong „Waterloo“

Legendärer ESC-Sieg 1974

Eurovision-Sieger „Waterloo“: Als ABBA in Brighton Musikgeschichte schrieb

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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Am 6. April 1974 schrieben vier junge Schweden im englischen Brighton Musikgeschichte. Mit „Waterloo“ gewannen Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad nicht nur den Eurovision Song Contest und sicherten so Schwedens ersten ESC-Sieg, der Wettbewerb wurde auch zum Sprungbrett für eine bis heute legendäre Musikkarriere.

Foto der ABBA-Mitglieder im Rahmem des Eurovision Song Contest 1974
Gewinner des Eurovision Song Contest 1974: Benny Andersson, Anni-Frid Lyngstad, Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus.

Schlüsselmoment in der Geschichte des Eurovision Song Contest

Als ABBA auf die Bühne des Brighton Dome tritt, liegt der Erfolg von „Waterloo“ schon in der Luft. Der Song hatte sich in der Heimat der Schweden direkt nach Release ganz oben in den Charts platziert, gleich zweimal: auf Schwedisch und in der internationalen, englischen Version.

Sven-Oloff Walldoff, der Dirigent des schwedischen Beitrags, tritt im Napoleon-Kostüm auf die Bühne, mit den ersten Takten stürmen die Sängerinnen Agnetha und Anni-Frid auf die Bühne. Die nächsten drei Minuten werden zum Schlüsselmoment in der Geschichte des Eurovision Song Contests.

Waterloo, I was defeated, you won the war, Waterloo, promise to love you forevermore.

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Zuerst musikalische Zusammenarbeit, dann Romantik

Benny Andersson und Björn Ulvaeus hatten sich acht Jahre zuvor kennengelernt. Björn war Mitglied der erfolgreichen Folk-Band Hootenanny Singers, Benny war Pianist der ebenfalls landesweit bekannten Hep Stars. Schon wenige Wochen nach dem ersten Treffen fangen die beiden Männer an, gemeinsam Musik zu schreiben. Ihre erste gemeinsame Single „She’s My Kind of a Girl“ erscheint 1970.

ABBA posieren für ein Foto in Brighton
Zwischen Mitte und Ende 20 sind die vier ABBA-Musiker, als der Erfolg in Brighton sie über Nacht international bekannt macht.

Auf ihrem ersten gemeinsamen Album „Lycka“ treten auch die späteren Band-Partnerinnen und Ehefrauen Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad erstmals als Background-Sängerinnen in Erscheinung.

Die Erkenntnis, dass die Stimmen der beiden Frauen gut harmonieren und die Tatsache, dass sich Agnetha und Björn sowie Anni-Frid und Benny auch romantisch annähern, führt schließlich zur Gründung der Band. Unter dem Namen „Benny & Björn, Agnetha & Anni-Fried“ veröffentlichen sie im Juni 1972 ihre erste gemeinsame Platte „People Need Love“.

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Napoleons Niederlage wird zum Liebeslied

1974 ist es für ABBA bereits der zweite Versuch für die Teilnahme beim Grand Prix. Ein Jahr zuvor hatten sie mit „Ring Ring“ in der Vorauswahl bereits den dritten Platz belegt. Vom Erfolg des ersten Versuchs beflügelt, komponieren Benny und Björn vier Melodien für potentielle ESC-Songs.

Ihr Produzent Stig Anderson schreibt den Text dazu: Napoleons Niederlage in der Schlacht von Waterloo wird im Song zur Metapher für eine Person, die sich völlig in die Liebe zu ihrem Gegenüber ergibt.  

Wir haben bei Eurovision mitgemacht, um den Leuten zu zeigen, dass es auch in Schweden eine Band gibt, die Popmusik schreiben kann.

Noch kurz vor dem Vorentscheid schwanken ABBA zwischen zwei Songs: „Hasta Mañana“ ist eine Ballade, die stilistisch mehr den Gewinnertiteln der Vorjahre entspricht. Schließlich macht „Waterloo“ das Rennen, nicht zuletzt auch, weil hier beide Sängerinnen gleichwertig performen.

Schwedens erster Eurovision-Gewinner

Das Ergebnis ist am Schluss deutlich enger, als es der ABBA-Erfolg rückblickend vermuten lassen würde. 17 Songs werden in Brighton gesungen. ABBA gewinnt mit 24 Punkten, die zweitplatzierte Gigliola Cinquetti holt für Italien 18 Punkte.

Das Erfolgsteam hinter dem ABBA-Erfolg
Das Erfolgsteam hinter dem ABBA-Erfolg: Neben den ABBA-Mitgliedern selbst gehören auch Produzent und Texter Stig Anderson (2. von links) und Dirigent Sven-Oloff Walldof (3. von rechts) dazu.

Für die Bundesrepublik treten Cindy und Bert an und belegen – in deutscher Tradition – mit drei Punkten den letzten Platz, den sie sich mit Portugal, der Schweiz und Norwegen teilen.

Für Schweden ist es der erste Sieg beim Eurovsion Song Contest. Die internationale Bühne des ESC macht ABBA international bekannt und katapultiert die vierköpfige Band in elf Ländern an die Spitze der Charts, auch in Deutschland und Großbritannien.

ABBAs Plastik-Pop macht den ESC in Schweden unpopulär

Doch während das internationale Publikum zu „Waterloo“ feiert, werden sie von der Musikpresse belächelt: zu bunt, zu kitschig, zu viel Plastik-Pop. ABBA präsentieren sich gezielt unpolitisch und eskapistisch in einer Zeit, die durch den Kalten Krieg, Vietnam und die Militärputschs in Südamerika und Südostasien politisch extrem aufgeladen ist.

ABBA mit der Gewinnermedaille des Eurovision Song Contest 1974 (Schwarz-weiß)
Mit nur 24 Punkten sichern sich ABBA in Brighton den Sieg. In ihrer Heimat stoßen die vier Musiker danach auf große Kritik, die schließlich darin Gipfelt, dass Schweden sich 1976 aus dem ESC verabschiedet.

Auch in Schweden formiert sich Kritik gegen den Export-Schlager. Ihre Platten werden im eigenen Land zum Sinnbild für angepasste Pop-Massenabfertigung.

Als Schweden 1975 den ESC in Stockholm abhalten soll, ist die Kritik so vehement, dass das schwedische Fernsehen tatsächlich überlegt, die Teilnahme abzusagen. Tatsächlich setzt Schweden schließlich im Folgejahr aus und begründet die Absage mit der minderwertigen Qualität der angebotenen Songs.

Auch auf Deutsch singen ABBA ihren ESC-Hit ein

Die ABBA-Mania startet in Australien

Für ABBA beginnt mit dem Sieg in Brighton auch eine Zeit enormer Produktivität. Benny und Björn schreiben Song um Song, doch die nächsten Singles können in Europa und vor allem auf dem wichtigen britischen Markt nicht an den überwältigen „Waterloo“-Erfolg anknüpfen.

ABBA lachen in die Kamera, eine Stoff-Handpuppe zwischen Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad
Ende der 1970er-Jahre stehen ABBA auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs. Nur die USA wollen nicht richtig mit dem Sound der Schweden warm werden.

Die ABBA-Manie der späten 1970er-Jahre beginnt in Australien, als die Band im Sommer 1975 mit dem Song „Mamma Mia“ im Fernsehen auftritt. Die Single wird schließlich zum zweiten Welterfolg der Schweden, den sie mit „Fernando“ und „Dancing Queen“ wiederholen.

Das „Greatest Hits“-Album von 1975, das allein in Großbritannien achtmal Platin holt, schwemmt auch die früheren Songs der Band ins kollektive Gedächtnis zurück.

ABBAs Erfolg wird zum privaten Problem

Doch während ABBA in den Charts und auf der Bühne Erfolg um Erfolg feiert, bröckelt das Privatleben der vier Mitglieder unter der ständigen Medienpräsenz und dem Jetset-Leben. Allen voran Agnetha, die unter Flugangst leidet und wegen der Karriere ihre Kinder nur selten sehen kann, fühlt sich vom ABBA-Erfolg immer mehr eingeengt. An Weihnachten 1978 trennt sie sich von ihrem Ehemann Björn.

Ich will ABBA nicht die Schuld geben. Manchmal lebt man sich auseinander und man kann nichts dagegen tun.

Trotz der Trennung bleiben Agnetha und Björn ABBA treu. Zum Ende kommt es dann schließlich 1981 nach der Trennung des zweiten ABBA-Paares Benny und Anni-Frid. Das im gleichen Jahr erschienene Studioalbum „The Visitors“ bleibt das letzte der Band. 1983 kündigen sie eine Pause an, aus der die Gruppe nicht wieder zurückkehren soll. Während sich die Frauen ihren Solokarrieren widmen, setzen sich Björn und Benny gemeinsam mit Tim Rice an die Arbeit für das Musical „Chess“.

ABBA World in Malmö stellt die Kostüme aus, die ABBA beim Eurovision Song Contest 1974 trugen
Devotionalien für ABBA-Fans weltweit: In der ABBA World in Malmö werden derzeit Repliken der Kostüme ausgestellt, die ABBA beim Eurovision Song Contest 1974 trugen.

Bis heute ungebremst populär

Fünfzig Jahre nach der ESC-Nacht in Brighton ist die Abba-Mania noch immer im vollen Gange: Das Musical „Mamma Mia“ feiert seit 1999 auf den Bühnen weltweit und 2008 auch im Kino weltweite Erfolge. Angefeuert vom internationalen Hype brachten die Mitglieder 2021 noch einmal ein Reunion-Album raus. Es soll die letzte gemeinsames Arbeit der vier Schweden sein. „Voyage“ holte international elfmal Platin.

Doch das heißt nicht, dass ABBA-Nostalgiker auf die Band verzichten müssen. Seit 2022 läuft in London auch ein virtuelle ABBA-Konzert, das die Zuschauer*innen in die Glanzzeiten der Band zurückversetzt. Siebenmal pro Woche können die Fans in London zuschauen, wie ewig junge ABBA-Avatare aus den 1970er-Jahren die Musik von damals singen. Auch im Konzert: Der Auftakt zum Höhepunkt bleibt, wie könnte es anders sein: „Waterloo“.

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