Langsam erblindet

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AUTOR/IN
Niko Zakarias

Die Ärzte haben mir in die Augen geguckt, die Studenten haben mir in die Augen geguckt, alle haben geschwiegen. Dann sagte der eine: „Wie lange?“ Und der andere sagte: „20 Jahre“. Und mir war damals schon klar, dass sie sich darüber unterhalten, wie lange ich noch etwas sehen kann.

So erinnert sich Marcella an die Untersuchung in der Uniklinik. Damals ist sie 18 Jahre alt und bekommt die Diagnose: Retinitis pigmentosa. „Ich habe die Diagnose erstmal verdrängt, man muss ja irgendwie weiterleben. Die Zukunft machte mir aber Angst. Schon das Wort „Zukunft“ war unheimlich belastet. Allein der Gedanke daran löste Herzrasen aus.“

Damals rät man ihr, eine Ausbildung zur Blindenlehrerin zu machen. Doch Marcella möchte das nicht. „Ich hatte einen intensiven Draht zu meinem Deutschlehrer damals und das war mein Glück, denn dieser hatte selbst eine Erkrankung. Er sagte: „Leb dein Leben, als hättest du nichts. Leb es einfach uneingeschränkt.“

Sie folgt dem Rat und geht ihren Weg, wird freie Autorin und Journalistin, arbeitet beim Hörfunk, heiratet und bekommt zwei Kinder.

Ich wusste, wenn ich Kinder möchte, darf ich nicht zu lange warten. Denn die Diagnose hing über mir, wie ein Damoklesschwert.

Mitte der 90er wird sie berentet. Marcella bleibt aktiv, engagiert sich im Saarbrückener Künstlerhaus, erstellt Marketingkonzepte, schreibt mehrere Bücher. „Womöglich war diese Diagnose der Ausgangspunkt meiner schriftstellerischen Tätigkeit. Ich hatte einen anderen Blick auf das Leben, weil ich immer auf der Eisscholle saß, die dahinschmolz. Ich musste schauen, wo es mich hintreibt, musste die Chancen nutzen.“ Heute ist Marcella fast vollständig blind. Sie lebt allein in ihrer Mainzer Wohnung, engagiert sich für Menschen mit Behinderungen.

Ich nehme immer meinen Stock mit. Nicht weil ich ihn brauche – ich will als Blinde sichtbar sein. Es ist unheimlich wichtig, dass man diese Handicaps integriert und darüber redet und dass das alles ein Stück Normalität wird.

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46 Jahre im gleichen Job: Hufschmied Hans-Peter

Das Problem ist, wie im Handwerk allgemein: Es will keiner mehr dreckig werden, es will keiner mehr bei Wind und Wetter draußen sein.
Hans-Peter, 70, Hufschmied aus Aichwald
Eigentlich ist Hans-Peter schon längst im Rentenalter, aber aufhören will der Hufschmied noch nicht so richtig. „So zweimal in der Woche, 2-4 Pferde, mehr will ich nicht. Und mehr lässt auch meine Frau nicht mehr zu“, sagt er lachend. Was ihn an seinem Beruf glücklich macht, hat er uns erzählt: „Man hat mit Lebewesen zu tun. Man hat eine Verantwortung gegenüber den Lebewesen.“
Nachwuchsmangel im Handwerk
Neben seiner Liebe zu seinem Handwerk gibt es aber noch eine zweite Sache, die ihn weiterarbeiten lässt: Der Nachwuchsmangel. Der 70-Jährige beobachtet: „Die Eltern wollen für ihre Kinder immer, dass es ihnen besser geht als ihnen selbst. Die sollen nichts mehr arbeiten, die sollen nur noch am Computer sitzen im Warmen und die Tasten drücken und das funktioniert bei uns nicht.“
Ohne Pferde geht es nicht
Für ihn käme das nicht in Frage – die Arbeit mit den Pferden, auch der Umgang mit seinen Kunden – Hans-Peter liebt seinen Beruf. „Ich mache das eigentlich nicht wegen dem Geldverdienen, das ist eine Passion. Ich kann nicht ohne.“

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Niko Zakarias