Eine Person wird geimpft.

Juristische Hürden sind hoch

Impfschäden nach Corona-Impfung: Bisher nur wenige Klagen

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Anne Jethon

In Baden-Württemberg sind schätzungsweise bis zu 2.500 Menschen von schwerwiegenden Nebenwirkungen nach Coronaimpfungen betroffen. Doch wenige haben gegen die Hersteller geklagt. Was ist der Grund?

Bis Ende April sind an den Landgerichten in Baden-Württemberg rund 20 Zivilklagen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gegen Hersteller von Corona-Impfstoffen wegen möglicher Impfschäden eingegangen. Dabei könnten deutlich mehr Menschen von schwerwiegende Nebenwirkungen nach Coronaimpfungen betroffen sein.

Die Zahl der Fälle des Post-Vac-Syndroms kann derzeit nur geschätzt werden - eindeutige Zahlen dazu gibt es keine. Expertinnen und Experten vermuten, dass vielleicht 0,02 bis 0,03 Prozent der Geimpften betroffen sind. In Baden-Württemberg wären das bei über 8 Millionen Geimpften etwa 1.700 bis 2.500 Menschen.

SWR-Rechtsexperte Christoph Kehlbach erklärt, welche rechtlichen Schritte für Betroffene des Post-Vac-Syndroms möglich sind:

Wann können Betroffene klagen?

Betroffene können unter Umständen klagen. Zum einen könnten Ärztinnen oder Ärzte zur Rechenschaft gezogen werden - das ginge aber nur dann, wenn diese Fehler bei der Impfung gemacht haben. "Zum Beispiel den Impfstoff falsch dosiert haben oder nicht richtig über Risiken aufgeklärt oder Vorerkrankungen nicht richtig berücksichtigt haben", erklärt SWR-Rechtsexperte Christoph Kehlbach.

Auch gegen die Hersteller können Betroffene klagen. Die Hürden für eine erfolgreiche Klage sind aber hoch. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bekannte Nebenwirkungen vertretbar sind, wenn das Arzneimittel zugelassen ist. "Deshalb sind Verletzungen nicht ersatzfähig, die nach der Nutzen-Risiko-Bewertung als sozialadäquat eingeordnet werden, weil und soweit sie beim Gebrauch von Arzneimitteln vom Verkehr hingenommen werden", hat zum Beispiel das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden. Das bedeutet: Es müssten also bislang unbekannte Impffolgen eintreten.

Außerdem müssen die schädlichen Wirkungen einer Impfung laut Gesetz "über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen". Sowohl die Risiken als auch der Nutzen werden hier abgewogen. Das bedeutet: "Es müssen wirklich gravierende und unvorhergesehene Folgen sein, sonst hat man vor Gericht schlechte Chancen", so Kehlbach. Das könnte ein Grund sein, warum es momentan nur wenige Klagen gegen die Hersteller gibt. "Natürlich kann die Zahl der Klagen noch ansteigen, vielleicht warten auch einige noch ab, wie die ersten Verfahren laufen."

Chronische Ermüdung, Konzentrationsschwierigkeiten, Blutdruckschwankungen, Sehstörungen, Kopfschmerzen und Herzrasen. Betroffene von Corona-Impfschäden fühlen sich mit ihren Leiden von Ärzten und Behörden oft allein gelassen. Drei Menschen aus Baden-Württemberg erzählen:

Landgericht Rottweil: BioNTech auf 150.000 Schmerzensgeld verklagt

Zu den bundesweit ersten Verfahren gehört auch eine Zivilklage am Landgericht Rottweil, die am 3. Juli verhandelt werden soll. Bei dem Verfahren verlangt ein Mann 150.000 Euro Schmerzensgeld vom Hersteller BioNTech. Er wirft dem Unternehmen vor, durch die Corona-Impfung mit dem Vakzin Comirnaty eine Sehschwäche erlitten zu haben.

Seit dem Start der Impfkampagne sind in Baden-Württemberg nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) rund 25 Millionen Impfdosen gegen Covid-19 verabreicht worden. Der Mainzer Impfstoffhersteller BioNTech hatte mit Blick auf anstehende Prozesse gegen ihn betont, "dass bisher in keinem der von BioNTech geprüften Fälle ein kausaler Zusammenhang zwischen den dargestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Impfung mit Comirnaty nachgewiesen werden konnte".

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Millionen Impfdosen sind gegen das Coronavirus verabreicht worden. In wenigen Fällen erkranken Menschen nach einer Impfung schwer und dauerhaft. Nun landen vor den Gerichten die ersten Klagen gegen die Hersteller.

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Schadensersatz oder Schmerzensgeld für Betroffene

Wenn Betroffene aber Erfolg mit einer Klage gegen einen Hersteller haben sollten, dann kann es Schadensersatz und Schmerzensgeld geben. "Wie viel das im Einzelfall ist, kommt auf den konkreten Sachverhalt an, genaue Zahlen zu nennen ist schwer", sagt Kehlbach. "Selbst bei sehr dramatischen Schäden gibt es in Deutschland eigentlich keine Schmerzensgeldzahlungen in Millionenhöhe, wie wir sie etwa aus den USA kennen." Zumindest ein kleiner Erfolg wäre es für Betroffene vermutlich trotzdem, wenn ihr Leiden vor Gericht anerkannt würde.

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