Rund 450 Jahre alte Getreidspreu: sie diente in einem Haus aus dem frühen 17. Jahrhundert zur Dämmung in Zwischendecken. Nach 450 Jahren keimten darin enthaltene Körner. Unter anderem wuchsen Weizenhalme.  (Foto: SWR)

Getreidespreu diente als Dämmung

Überraschung in Ulm: Weizen keimt nach 450 Jahren

Stand
AUTOR/IN
Verena Hussong
Verena Hussong (Foto: SWR, SWR - Alexander Kluge)

Bei der Sanierung eines rund 450 Jahre alten Gebäudes finden Handwerker Weizenspreu und Körner, die als Dämmung in der Decke schlummerten. Nun wächst daraus Getreide.

Bei der Sanierung eines Gebäudes in Ulm, das auf einem alten Stich aus dem 16. Jahrhundert abgebildet ist, haben Handwerker in einer Zwischendecke Getreidespreu entdeckt. Sie hatte rund 450 Jahre als Dämmung gedient. Johannes Völks Firma hat den sogenannten Fürstenegger Hof in Ulm saniert. Der Unternehmer nahm eine Handvoll der Spreu aus der Decke mit nach Hause.

Seine Frau war neugierig und brachte ein wenig Spreu, in der wohl ein paar Getreidekörner versteckt waren, in die Erde in ihrem Garten ein. Zu Sabine Völks großer Freude trieben ein paar der rund 450 Jahre alten Getreidekörner tatsächlich aus und wuchsen heran. "Ich hatte nicht damit gerechnet. Das ist ein Schatz. Dass das wieder keimen kann, ist ein Wunder. Es ist unglaublich."

Sabine Völk bringt die Getreidespreu in ihrem Garten in die Erde. Sie hofft auch in diesem Jahr darauf, dass in der rund 450 Jahre alten Getreidespreu aus Ulm Körner von Weizen oder Gerste sind, die in ihrem Gartenbeet keimen.  (Foto: SWR, Verena Hussong)
Sabine Völk hofft auch in diesem Jahr darauf, dass in der rund 450 Jahre alten Getreidespreu aus Ulm Körner von Weizen oder Gerste sind, die in ihrem Gartenbeet keimen.

Ernten mit Körnern von Getreide aus der frühen Neuzeit

Sabine Völk möchte auch in diesem Jahr wieder einen "Schatz" heben und wagt einen neuen Pflanzversuch. Sie kniet vor einem Blumenbeet in ihrem Garten in Elchingen im Kreis Neu-Ulm und lockert die Erde.

Aus einem braunen Papierumschlag schüttet sie ein bisschen Streu erst auf die Hand, dann auf die Erde. Sie hofft, dass sich darin Weizenkörner oder Gerste befinden, die wie beim ersten Mal keimen. "Das ist sensationell, dass ein Korn nach so langer Zeit noch aufgeht und dass ich das Glück hatte, dass in der Spreu überhaupt etwas drin war." 

Getreidehalme liegen getrocknet auf einem Tablett.  Die zweite Getreideernte: 2019 konnte Sabine Völk schon deutlich mehr Weizen- und Gerstenhalme aus dem viele Jahrhunderte alten Saatgut einfahren.  (Foto: SWR, Verena Hussong)
Die zweite Getreideernte: 2019 konnte Sabine Völk schon deutlich mehr Weizen- und Gerstenhalme aus dem viele Jahrhunderte alten Saatgut einfahren.

Schon zweimal hatte die Heilpraktikerin Erfolg: 2018 entwickelten sich zwei Getreidehalme, ein Jahr später wuchsen schon mehr als zehn heran. Sabine Völk hat den Weizen und die Gerste getrocknet und aufbewahrt. Die Halme liegen vor ihr auf einem Tablett. Sie deutet auf einen Fruchtstand: "Die Ähren sind ein bisschen kleiner als heute." 

Ein altes Gebäude mit vielen Fenstern und Gauben. Der "Fürstenegger Hof" auf dem Galgenberg in Ulm war bis ins 17. Jahrhundert eine Ziegelei. Später wurde er eine Gastwirtschaft und nach der Sanierung ein Wohngebäude. Dort war bei der Sanierung der Weizen aus dem Mittelalter gefunden worden.  (Foto: SWR, Verena Hussong)
Der "Fürstenegger Hof" auf dem Galgenberg in Ulm war bis ins 17. Jahrhunderte eine Ziegelei. Später wurde er eine Gastwirtschaft und nach der Sanierung ein Wohngebäude. Dort war bei der Sanierung der Jahrhunderte alte Weizen gefunden worden.

Spreu von Weizen als Dämmung im "Fürstenegger Hof" in Ulm

Die Spreu, die Dreschabfälle des Getreides aus Hülsen, Spelzen, Grannen und dem einen oder anderen Körnchen, hatten Handwerker in die Zwischendecke des Fürstenegger Hofs eingefüllt - um 1604, so vermutet Johannes Völk. Er hatte im Rahmen der Sanierung zur Geschichte des Fürstenegger Hofs geforscht.

Der Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens steht im Treppenhaus des Gebäudes in Ulm und zeigt auf einen dunkelbraunen Holzbalken: "Bei der Kernsanierung des Gebäudes mussten wir die ganzen Decken öffnen und in den Zwischenräumen zwischen diesen Sparren haben wir die Spreu gefunden."

In historischen Quellen sind mehrere Ziegelein im mittelalterlichen Ulm erwähnt. Der "Fürstenegger Hof" war eine davon. Die dort gebrannten Steine wurden in vielen Bauten der Stadt Ulm verwendet, erzählt Johannes Völk. Etwa in der Stadtmauer. Als die nahe Lehmgrube ausgebeutet war, diente der Fürstenegger Hof als Gastwirtschaft. Heute sind in dem ziegelroten Gebäude auf dem Galgenberg in Ulm Wohnungen.  

Johannes Völk am Fundort im "Fürstenegger Hof" in Ulm. Johannes Völk am Fundort im "Fürstenegger Hof" in Ulm: In den Zwischendecken entdeckten seine Handwerker die Spreu aus Getreide mit Weizenkörnern. Sie diente zur Dämmung. (Foto: SWR, Verena Hussong)
Johannes Völk am Fundort im "Fürstenegger Hof" in Ulm: In den Zwischendecken entdeckten seine Handwerker die Spreu aus Getreide mit Weizenkörnern. Sie diente zur Dämmung.

In Elchingen bedeckt Sabine Völk die ihm Beet ausgebrachte Spreu sorgsam mit Erde. Sie will ihr Getreide weiter vermehren und hat überlegt, die viele Jahrhunderte alten Pflanzenteile Wissenschaftlern für eine genaue Bestimmung der Sorten und weitere Untersuchungen zur Verfügung zu stellen.

Nun hofft sie zunächst auf eine weitere erfolgreiche Ernte. Irgendwann, so meint sie lachend, reichen die Körner und das Mehl daraus dann vielleicht zum Backen. "Für ein ganz kleines Brötchen und wenn ich mein Feld voll habe, dann machen wir ein Brot." 

Fakten zum Weizen

Warum Weizen besser als sein Ruf ist - und zu welchem Mehl wir im Laden greifen sollten

Glutenfreie Produkte sind immer mehr im Kommen, auch bei Menschen, die keine Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie haben. Da stellt sich die Frage: Ist ein Weizen-Verzicht gut für uns?

ARD-Buffet Das Erste

Ernten und Krisen nah und fern

Stuttgart

Gemischte Bilanz bei der Getreideernte Bauernverband BW: Ausfälle im Norden, gute Ernte im Süden

Der Landesbauernverband BW hat am Donnerstag die Bilanz der Getreide- und Rapsernte vorgestellt. Wegen der extremen Trockenheit fallen die Erträge regional sehr unterschiedlich aus.

Guten Morgen Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Folgen des Ukraine-Kriegs Getreide-Krise in Afrika – Hunger, Unruhen und neue Chancen

Weil Importe aus Russland und der Ukraine ausfallen, erlebt Afrika steigende Preise und es droht eine Hungersnot. Aber der Krieg in Europa bringt auch neue Chancen.

SWR2 Wissen SWR2

Das Kelten-Experiment

Wie lebten die Kelten? · Das Kelten-Experiment

In der Spätzeit der Kelten entstanden die ersten „Großstädte“ nördlich der Alpen, die sogenannten „oppida“. Das waren wie – zum Beispiel bei Manching oder Heidengraben – gewaltige Siedlungen mit kilometerlangen Wallanlagen für mehrere Tausend Menschen. In diese späte Zeit der Kelten fällt ein weiteres neues Phänomen: die sogenannte. „Viereckschanze“. Wurde sie früher als Kultstätte interpretiert, so ergaben neueste Forschungen, dass es sich um den Mittelpunkt einer kleineren Siedlungsgemeinschaft handelte. Neben den großen oppida gab es also weiterhin die normalen Dorfgemeinschaften.
Die archäologischen Befunde einer Viereckschanze am Ipf bei Bopfingen liefern die Pläne, nach denen eine solche Keltenschanze wieder aufgebaut wird – von einer Kelten-Truppe unter wissenschaftlicher Anleitung. Dabei erfährt man im Film einiges über die Bauweise und das Leben dort: So wurden zum Beispiel angekohlte Stämme verbaut, damit das Holz im feuchten Boden nicht faulte. Die Dächer wurden mit Holzschindeln gedeckt, da diese viel widerstandsfähiger waren, als die bisher vermutete Reetdeckung. Die Frauen bauten innerhalb des vier Meter hohen Walls, der die kleine Siedlung umgab, Kräuter und Getreide zur Selbstversorgung an. Und es gab einen „Kultbaum“ – ist der süddeutsche Maibaum also eine keltische Erfindung? Eine besondere Stellung in der keltischen Gesellschaft kam den Druiden zu: Sie hatten kultische Aufgaben und verfügten auch über medizinisches Wissen. Bis heute ranken sich viele Mythen um die Druiden. Der Film beleuchtet, was man eigentlich über sie weiß und welche Rolle sie im Sozialgefüge der Clans spielten.

Das Kelten-Experiment SWR Fernsehen