Archivaufnahme von einer Demonstration für Klimaschutz in Mainz

Fünf Jahre "Fridays for Future" - ein Interview

Fridays for Future-Aktivist Conrad: "Soziale Gerechtigkeit muss mit Klimaschutz einhergehen"

Stand
INTERVIEW
Tim Stobbe

Fünf Jahre ist es her, dass Greta Thunberg erstmals für den Klimaprotest vor dem schwedischen Reichstag saß. Die Protestwelle schwappte schnell nach Deutschland. Was hat sich seitdem getan? Ein Interview mit Maurice Conrad von Fridays for Future in Mainz.

Seit mehr als vier Jahren sind die "Fridays for Future" in Rheinland-Pfalz sowie bundesweit aktiv. Maurice Conrad aus Mainz hat zusammen mit weiteren Aktivistinnen und Aktivisten die "Fridays for Future"-Bewegung in Mainz ins Rollen gebracht, die erste Demo in Mainz im Januar 2019 haben sie organisiert. Was sich seitdem in der Bewegung und in Rheinland-Pfalz in Sachen Klimaprotest getan hat:

SWR Aktuell: Wie hat sich die Protestbewegung in Mainz, Rheinland-Pfalz und deutschlandweit aus Ihrer Sicht verändert?

Maurice Conrad: Zunächst einmal ist die Klimaprotestbewegung größer geworden. Im Oktober, November 2018 war in Mainz noch nicht viel los, was organisierte Gruppen angeht. Zwar gab es damals Klima-Demos in Mainz, die waren aber nicht so regelmäßig. Als dann Greta Thunberg mit ihrem Protest durch die Nachrichten ging, haben wir beschlossen, als eine Gruppe junger Leute, diese regelmäßigen Proteste in unserer Stadt zu organisieren.

Heute ist das alles nun viel größer und professioneller, wenn auch die größten Klimastreiks mit 2019 und 2020 etwas zurückliegen. Außerdem sind wir vernetzter, auch in der Kommunal- und Landespolitik. Das ist der gute Teil.

SWR Aktuell: Und was ist der schlechte Teil?

Conrad: Naja, ich glaube, dass die Klimabewegung keinen Hehl daraus macht, dass sie es in den letzten Jahren schwer hatte, gegen andere gesellschaftliche Themen zu bestehen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir von einer Krise in die nächste rennen. Davor macht die Klimakrise nicht halt.

Aber es ist natürlich schwierig, in Zeiten, in denen Leute sich wirklich gut überlegen müssen, wie sie an ihr Essen kommen, wie sie ihre Familie ernähren, das Thema Klimaschutz auf die Agenda zu setzen. Es ist ein sehr anstrengender Prozess. Aber ich glaube, die Klimaprotestbewegung ist da sehr resilient.

SWR Aktuell: Vor welcher Herausforderung steht die Klimaprotestbewegung heute?

Conrad: Ich denke, die große Herausforderung ist, den Menschen klar zu machen, dass soziale Gerechtigkeit mit Klimaschutz einhergehen muss. Dass die Leute verstehen: Wer für soziale Gerechtigkeit auf die Straßen gehen will, muss auch für den Klimaschutz auf die Straße gehen. Daher ist die Bewegung vernetzt in die Gesellschaft, in die Gewerkschaften und in die Sozialverbände.

Die "Fridays for Future" sind zwar aus Schulstreiks hervorgegangen und sind meist präsent mit den Gesichtern junger Menschen. Die Bewegung hat sich aber diversifiziert. Wir sind nicht groß, weil wir 1,4 Millionen junge Menschen im Land haben, sondern weil es uns gelungen ist, über alle Generationen hinweg zu mobilisieren.

Aktivisten von Fridays for Future stehen auf einer Demo.
Den großen Streik-Aufrufen der "Fridays for Future"-Bewegung folgen oft viele Menschen - junge wie alte.

SWR Aktuell: Hat sich die gesellschaftliche Lage in Rheinland-Pfalz von 2018 bis heute verändert?

Conrad: Nein, ich denke im Großen und Ganzen hat sich die grundlegende Lage nicht viel verändert. Aber 2023 sind es inzwischen einfach sehr viele Akteur:innen im politischen Geschäft, die sehr offen darin sind, dass sie die Maßnahmen, die wir für Klimaschutz brauchen, eigentlich nicht wollen. Diese Offenheit ist vielleicht schon Ergebnis der Auseinandersetzung seit 2019. Damals sagten die Leute: "Die sind ja irgendwie ganz nett, die Kinder, die da auf die Straße gehen. Eigentlich wollen die aber auch nur spielen."

Inzwischen ist den Menschen schon klar geworden, dass die Klimabewegung eine politische Veränderung möchte – eine, die die Politik in ihrer Gänze so nicht möchte. Das führt dazu, dass man mehr streitet. Grundsätzlich denke ich aber, dass die Akzeptanz für das Thema Klimaschutz weiterhin da ist. Wir müssen halt dran bleiben. Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon.

SWR Aktuell: Sie sagen, es wird mehr gestritten. Ist der Ton in der Diskussion, im Streit über das Thema Klimaschutz rauer geworden?

Conrad: Es war schon immer rau. Als die Klimaaktivist:innen angepasst und ruhig noch relativ unkonkret Veränderungen forderten, hat man sie quasi gestreichelt und besänftigt. Dann merkte die Politik aber, dass wir sehr genau wissen, wie sich zum Beispiel die Verkehrspolitik ändern muss, damit wir die Klimaziele erreichen - und dass sie das im Kern nicht will, egal wie hoch der Konsens in der Wissenschaft ist. Das bloße Besänftigen und die Versicherung: "Wir sind ja auch für Klimaschutz", haben dann irgendwann nicht mehr gezogen. Dann wurde der Ton natürlich rauer.

SWR Aktuell: Sie kämpfen seit rund fünf Jahren für eine andere Klimapolitik, werden Sie allmählich müde?

Conrad: Manchmal ein bisschen. Es gibt sie ja, die nachhaltigen Veränderungen, sie sind nur sehr klein. Ich versuche, auf diese Dinge zu blicken.

SWR Aktuell: Was sind Ihre Wünsche und Hoffnungen für die "Fridays for Future" für die nächsten fünf Jahre?

Conrad: Ich wünsche mir, dass die Klimabewegung weiter unangepasst bleibt und sich nicht der Forderung beugt, Klimaschutz "leise" zu machen, ohne dass jemand was mitkriegt. Grundsätzlich finde ich zum Beispiel zivilen Ungehorsam nachhaltig und legitim als Protestform. Die Besetzungen im Dannenröder Wald, im Hambacher Wald oder in Lützerath sind wichtige Teile der Klimabewegung.

SWR Aktuell: Ziviler Ungehorsam wie ihn auch die Letzte Generation betreibt?

Conrad: Den Protest der Letzten Generation finde ich an vielen Stellen strategisch nicht klug. Denn er richtet sich nicht an die Verursacher der Klimakatastrophe, sondern behindert Menschen in ihrem Alltag. Das frustriert die Menschen und verärgert sie, dann lässt sich das Anliegen der Protestierenden nicht gut kommunizieren.

Aber ziviler Ungehorsam ist deswegen nicht grundlegend falsch. Es ist perfide, wenn nun Gesetze geschaffen werden, mit denen der Staat mehr Repressionen gegen Aktivist:innen ausüben kann – unter dem Vorwand, den Protesten der Letzten Generation Einhalt zu gebieten. Das tut der Demokratie und der Protestkultur in Deutschland nicht gut. Das ist gefährlich.

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