Mitarbeiter des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz wegen Spionage für Russland festgenommen

Pistorius kündigt Ausbau der Spionageabwehr an

Offizier in Koblenz wegen mutmaßlicher Spionage für Russland in U-Haft

Stand

Die Bundesanwaltschaft hat in Koblenz einen Mann festnehmen lassen, der unter Verdacht steht, Informationen an den russischen Geheimdienst weitergeleitet zu haben. In Argenthal im Hunsrück wurde sein Haus durchsucht.

Der festgenommene Deutsche ist Mitarbeiter des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Das Bundesamt ist unter anderem für die Ausstattung der Bundeswehr zuständig. Außerdem sei der Mann Offizier. Das hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch mitgeteilt.

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VBB warnt vor Verallgemeinerung

Der Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr bedauerte den Fall, warnte aber zugleich davor, nun alle Mitarbeitende der Behörde über einen Kamm zu scheren. Vielmehr gebe es für alle Beschäftigten Sicherheitsprüfungen, bevor sie ihre Tätigkeit aufnehmen dürften. Darüber hinaus gebe es ein Konzept gegen Korruption, das die Weitergabe von Dienstgeheimnissen verhindern soll. Die Bundesanwaltschaft hatte gestern über die Festnahme des deutschen Staatsbürgers informiert.

Hausdurchsuchung in Argenthal im Hunsrück

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wurde das Haus des Mannes in Argenthal im Rhein-Hunsrück-Kreis durchsucht. Während des Einsatzes des Bundeskriminalamtes (BKA) waren kurzzeitig mehrere Straßen gesperrt. Der Festgenommene sitzt in Untersuchungshaft. Das BKA ist mit den Ermittlungen beauftragt. Sie würden in enger Zusammenarbeit mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz geführt, hieß es.

Informationen an russischen Nachrichtendienst weitergeleitet

Wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe weiter mitteilte, soll sich der Beschuldigte ab Mai 2023 aus eigenem Antrieb mehrfach an das russische Generalkonsulat in Bonn sowie die russische Botschaft in Berlin gewandt und eine Zusammenarbeit angeboten habe. Bei einer Gelegenheit soll er Informationen übermittelt haben, die er im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit erlangt hatte.

Die Informationen sollten an einen russischen Nachrichtendienst übermittelt werden. Nach SWR-Informationen fiel der Beschuldigte bei der Überwachung russischer Einrichtungen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz auf. Um welche Informationen es sich dabei genau handelt, haben die Behörden noch nicht mitgeteilt. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr ist allerdings in die komplette Ausrüstung der Bundeswehr involviert.

Mutmaßlicher Spion - Wollte er sich wichtig machen?

Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, war der Beschuldigte möglicherweise frustriert über seine berufliche Situation in der Koblenzer Behörde. Das Magazin beruft sich auf Sicherheitskreise und schreibt, es könne sein, dass sich "der Soldat durch den Kontaktaufnahmeversuch mit den russischen Geheimdiensten wichtig machen wollte".

Das Nachrichtenmagazin "Die Zeit" berichtet, dass der Mann "mit der AfD sympathisiert". Der rheinland-pfälzische AfD-Landtagsabgeordnete Joachim Paul sagte auf SWR-Nachfrage, der Verdächtige habe drei bis vier Wochen lang mit der AfD Koblenz "zu tun" gehabt - sei aber kein offizielles Mitglied der AfD Koblenz.

Insiderwissen aus dem Beschaffungsamt der Bundeswehr Mutmaßlicher Bundeswehr-Spion bot Linksfraktion im Bundestag Infos an

Der mutmaßliche Spion im Beschaffungsamt der Bundeswehr bot sein Insiderwissen nach SWR-Informationen erstmals im Sommer 2022 der Bundestagsfraktion der Linken an.

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Pistorius kündigt Ausbau der Spionageabwehr an

In Berlin wird nun über die Gefahr durch russische Ausspähungsversuche diskutiert. Es gibt Lob für die Arbeit der Sicherheitsbehörden, aber auch Forderungen nach einer schnellen Aufklärung. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte an, die Spionageabwehr personell ausbauen zu wollen.

"Wir sind schnell und wachsam. Die personelle Stärkung des Militärischen Abschirmdienstes müssen wir konsequent weiter verfolgen - gerade im Bereich der Spionageabwehr."

Faeser: Bedrohung durch Spionage hat andere Dimension erhalten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (ebenfalls SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch die Sicherheitslage in Deutschland verändert." Die Bedrohung durch Spionage, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe habe eine andere Dimension erhalten. Nach Faesers Einschätzung zeigt die Festnahme, dass die Sicherheitsbehörden wachsam sind. Auch aus der Union kommt Lob für die Behörden, aber auch die Forderung nach einer schnellen Aufklärung.

Die Grünen-Verteidigunspolitikerin Sara Nanni erklärte dazu: Die weitere Aufarbeitung im Parlament werde vor allem im zuständigen Kontrollgremium stattfinden – das wisse auch die Union.

Politiker werten Vorgang als Warnsignal

Nannis Fraktionskollege Konstantin von Notz zeigte sich angesichts der Vorwürfe besorgt: "Der Fall zeigt einmal mehr, wie sehr Deutschland im Fokus ausländischer Nachrichtendienste steht", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums dem "Spiegel". Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Henning Otte deutete den Vorgang als Warnsignal. "Der Fall zeigt, dass die Behörden des Verfassungsschutzes und des Militärischen Abschirmdienstes hellwach sein müssen", sagte Otte dem Nachrichtenmagazin.

Im Dezember BND-Mitarbeiter festgenommen

Es ist nicht der erste Fall von mutmaßlicher Spionage für Russland in einer wichtigen Regierungsbehörde in Deutschland. Im Dezember war ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) festgenommen worden, der einem russischen Nachrichtendienst Staatsgeheimnise verraten haben soll. Gegen ihn und einen im Januar festgenommenen mutmaßlichen Komplizen wird wegen Landesverrats ermittelt.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte im Juni vor "aggressiveren Spionageoperationen Russlands" vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs gewarnt. Moskau hat demnach angesichts des Konflikts ein erhöhtes Aufklärungsinteresse, verwiesen wurde auch auf mögliche Sabotage über Cyberangriffe.

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