Ein Schild mit der Aufschrift "Arztpraxis zu vermieten" steht vor einem Gebäude.

Haus- und Fachärzte betroffen

Droht ein akuter Ärztemangel im Norden von Rheinland-Pfalz?

Stand
AUTOR/IN
Christoph Bröder

Vor allem in den ländlicheren Regionen im Norden von Rheinland-Pfalz mangelt es nicht nur an Allgemeinmedizinern, auch Fachärzte sind rar. Das zeigen aktuelle Zahlen aus der Region.

Vor kurzem hat die Stadt Mayen mitgeteilt, dass es dort jetzt keinen Kinderarzt mehr gibt. Die dortige Fachärztin hatte nach Auskunft der Stadt überraschenderweise das Gemeinschaftsklinikum verlassen. Und auch wer im Norden von Rheinland-Pfalz etwa einen Termin bei einem Hautarzt, Internisten oder Zahnarzt sucht, muss mitunter Wochen oder sogar Monate warten.

Gründe für den Mangel an Fachärzten im Norden von RLP

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz beschreibt verschiedene Gründe für den sich immer mehr zuspitzenden Ärztemangel. Zum einen stünden überdurchschnittlich viele Ärzte vor dem Ruhestand. Das zeigen auch die Zahlen für die einzelnen Landkreise. Auf der anderen Seite benötigen immer mehr Menschen ärztliche Behandlung. Das hängt nach Auskunft der KV vor allem mit dem demografischen Wandel zusammen – es gibt immer mehr ältere Menschen.

Ein weiterer Grund ist nach Angaben der KV, dass die jungen Ärzte heute mehr Zeit für Familie und Freizeit einfordern. Bereitschaftsdienste abends, nachts und an Wochenenden seien aber mit Familie und Freizeit schlecht vereinbar. Heißt: die jungen Ärzte wollen heute einfach keine 50- oder 60-Stunden-Woche mehr haben. Ein weiterer Punkt seien etwa fehlende Medizinstudienplätze. In Rheinland-Pfalz können Studierende nur an der Uni Mainz Humanmedizin studieren.

So viele Ärzte gibt es in den einzelnen Landkreisen

Die KV hat umfangreiches Datenmaterial zur ärztlichen Versorgung. Die Zahlen zu den einzelnen Landkreisen stammen aus dem Juni 2021. Nicht berücksichtigt sind dabei jedoch die privat arbeitenden Ärzte in den Kreisen. Die werden von der KV nicht erfasst.

Kreis Ahrweiler:

Im Kreis Ahrweiler leben etwa 130.500 Einwohner. Dort gibt es derzeit 81 Hausärzte, 86 Fachärzte und 17 Psychotherapeuten. Davon haben allein 20 Hausärzte und 53 Fachärzte ihren Sitz in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Weitere Praxen sind schwerpunktmäßig in Remagen und Sinzig. 79 Prozent der Hausärzte im Kreis Ahrweiler sind 50 Jahre oder älter. Bei den Fachärzten sind es 73 Prozent und bei den Psychotherapeuten sogar 80 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger im Kreis Ahrweiler fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei zwei Kilometer. Knapp unter zehn Prozent der Bevölkerung müssen fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

Kreis Altenkirchen:

Im Kreis Altenkirchen leben etwa 129.000 Einwohner. Dort gibt es derzeit 82 Hausärzte, 52 Fachärzte und 19 Psychotherapeuten. Die meisten Hausärzte sind in Altenkirchen niedergelassen, dort gibt es neun Ärzte. Die meisten Fachärzte gibt es in Betzdorf, nämlich 17 insgesamt. 83 Prozent der Hausärzte sind 50 Jahre oder älter. Bei den Fachärzten sind es 69 Prozent und bei den Psychotherapeuten 81 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger im Kreis Altenkirchen fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei zwei Kilometer. Knapp 6,5 Prozent der Bevölkerung müssen fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

Kreis Cochem-Zell:

Im Kreis Cochem-Zell leben etwa 62.000 Einwohner. Dort gibt es 39 Hausärzte, 34 Fachärzte und sieben Psychotherapeuten. Neun Hausärzte haben ihre Praxis in Cochem, weitere acht in Kaisersesch. Elf Fachärzte haben ebenfalls ihren Sitz in Cochem, weitere acht in Zell. 76 Prozent der Hausärzte im Kreis sind 50 Jahre oder älter. Bei den Fachärzten sind es 90 Prozent und bei den Psychotherapeuten 49 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger im Kreis Cochem-Zell fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei 3,3 Kilometer. 30 Prozent der Bevölkerung müssen fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

Stadt Koblenz:

In Koblenz leben etwa 115.000 Menschen. Dort gibt es derzeit 78 Hausärzte, 188 Fachärzte und 35 Psychotherapeuten. 75 Prozent der Hausärzte sind 50 Jahre oder älter. Bei den Fachärzten sind es 65 Prozent, bei den Psychotherapeuten 70 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger in Koblenz fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei 0,7 Kilometer. Niemand muss fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

Kreis Mayen-Koblenz:

Im Kreis Mayen-Koblenz leben etwa 214.000 Menschen. Dort gibt es derzeit 130 Hausärzte, 108 Fachärzte und 33 Psychotherapeuten. 18 der Hausärzte haben ihren Sitz in Andernach, 19 in Mayen. Von den Fachärzten sitzen 32 in Andernach, weitere 35 in Mayen. Auch die meisten Psychotherapeuten haben ihre Praxis vor allem in diesen beiden Städten, nämlich 13 in Andernach und fünf in Mayen. 79 Prozent der Hausärzte sind hier 50 Jahre oder bereits älter. Bei den Fachärzten sind es 73 Prozent, bei den Psychotherapeuten 80 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger im Kreis Mayen-Koblenz fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei 1,5 Kilometer. 6,4 Prozent der Bevölkerung müssen fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

Kreis Neuwied:

Im Kreis Neuwied leben etwa 182.000 Menschen. Dort gibt es aktuell 112 Hausärzte, 113 Fachärzte und 25 Psychotherapeuten. 45 der Hausärzte haben ihre Praxis in Neuwied, zehn weitere in Linz. Von den insgesamt 113 Fachärzte haben 80 ihren Sitz in Neuwied, 17 in Linz. Von den insgesamt 25 Psychotherapeuten sitzen zwölf ebenfalls in Neuwied. 86 Prozent der Hausärzte sind 50 Jahre oder älter. Bei den Fachärzten sind es 73 Prozent, bei den Psychotherapeuten 77 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger im Kreis Neuwied fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei 1,4 Kilometer. 2,2 Prozent der Bevölkerung müssen fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

Rhein-Hunsrück-Kreis:

Im Rhein-Hunsrück-Kreis leben etwa 103.000 Menschen. Dort gibt es im Moment 66 Hausärzte, 56 Fachärzte und 15 Psychotherapeuten. Die meisten Hausärzte gibt es in Simmern, dort sind es elf. Danach folgt Boppard mit neun Hausärzten. 30 der Fachärzte sitzen ebenfalls in Simmern, zehn weitere in Boppard. 71 Prozent der Hausärzte sind 50 Jahre oder älter. Bei den Fachärzten sind es 78 Prozent und bei den Psychotherapeuten 57 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger im Rhein-Hunsrück-Kreis fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei 2,9 Kilometer. Etwa 21 Prozent der Bevölkerung müssen fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

Rhein-Lahn-Kreis:

Im Rhein-Lahn-Kreis leben etwa 122.000 Menschen. Dort gibt es derzeit 75 Hausärzte, 69 Fachärzte und 15 Psychotherapeuten. Zwölf Hausärzte haben ihre Praxis in Lahnstein, zwölf weitere in Bad Ems. Von den 69 Fachärzten sitzen 20 in Lahnstein, 16 in Bad Ems. 78 Prozent der Hausärzte sind 50 Jahre oder älter. Bei den Fachärzten sind es 66 Prozent, bei den Psychotherapeuten 67 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger im Rhein-Lahn-Kreis fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei zwei Kilometer. Zehn Prozent der Bevölkerung müssen fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

Westerwaldkreis:

Im Westerwaldkreis leben etwa 201.500 Menschen. Dort gibt es derzeit 123 Hausärzte, 101 Fachärzte und 28 Psychotherapeuten. 17 der Hausärzte sitzen in Montabaur, zehn in Bad Marienberg und jeweils acht in Rennerod und Selters. Von den insgesamt 101 Fachärzten sitzen 36 in Montabaur, zehn in Höhr-Grenzhausen und 13 in Hachenburg. 77 Prozent der Hausärzte sind 50 Jahre oder älter. Bei den Fachärzten sind es 71 Prozent, bei den Psychotherapeuten 64 Prozent.

Die Durchschnittliche Entfernung, die ein Bürger im Westerwaldkreis fahren muss, um zu einem Hausarzt zu kommen, liegt bei 2,1 Kilometer. Knapp sechs Prozent der Bevölkerung müssen fünf Kilometer oder mehr bis zum nächsten Hausarzt fahren.

KV besorgt über den zunehmenden Ärztemangel

Wie die Zahlen aus den Kreisen zeigen, sind meist mehr als 70 Prozent der Ärzte bereits 50 Jahre oder älter. Seit mehr als zehn Jahren warnt die KV daher eigenen Angaben zufolge vor einem sich zuspitzenden Ärztemangel und damit verbundenen Versorgungsengpässen. Die aktuelle Entwicklung und der Blick auf die kommenden Jahre gäben Anlass zur Sorge.

Mögliche Lösungen für den Ärztemangel

Einige Kommunen und Kreise versuchen dem Ärztemangel bereits entgegenzuwirken. Der Westerwaldkreis etwa zahlt seit Jahresbeginn eine Prämie von 10.000 Euro an Hausärzte, die sich im Kreisgebiet niederlassen. Der Kreis Altenkirchen wiederum hat bereits vor zwei Jahren ein Stipendium für Medizinstudenten ins Leben gerufen. Der Kreis zahlt sechs Jahre lang bis zu 900 Euro pro Monat an die Studenten, wenn sie sich nach dem Studium für zehn Jahre als Arzt im Kreis niederlassen.

Wie die KV dem Ärztemangel entgegenwirken will

Die KV bietet eigenen Angaben zufolge unter anderem ein umfangreiches Beratungsangebot für Ärzte an. Etwa, wie man als Arzt seine eigene Praxis gründet. Denn davor würden viele Ärzte heutzutage zurückschrecken. Um Ärzte zu motivieren, eine eigene Praxis zu gründen, zahle die KV zudem gemeinsam mit den Krankenkassen in manchen Fällen einmalig bis zu 39.000 Euro.

Ein weiteres Angebot der KV ist etwa die Website „Ort sucht Arzt“ (www.ort-sucht-arzt.de). Dort sollen demnach Gemeinden und Ärzte zusammengebracht werden. Mit der Kampagne „arzt.nah.dran“ (www.arzt-nah-dran.de) informiert die KV eigenen Angaben zufolge darüber, wie attraktiv und vielfältig die Niederlassung ist. Denn Ärzte, die in der ambulanten Versorgung arbeiten, seien ganz nah dran an den Patienten und würden somit medizinische Versorgung auf hohem Niveau leisten.

Modellprojekt telemedizinische Assistenz So sollen Landärzte von Hausbesuchen entlastet werden

Sie kommen ins Haus, bereiten Langzeit-EKG oder Blutdruck-Messungen vor, bestimmen Laborwerte und schicken dann alles online zum Arzt. Die "telemedizinische AssistentInnen" sollen die Landärzte entlasten.

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Christoph Bröder