Klaus Bräunig kämpft um die Wiederaufnahme seines Verfahrens. Das Landgericht Bad Kreuznach hat das abgelehnt.

Nach Doppelmord in Mainz im Jahr 1970

Fall Klaus Bräunig: Gericht will Verfahren nicht wiederaufnehmen

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Andreas Neubrech
Andreas Neubrech

Klaus Bräunig hat 53 Jahre im Gefängnis gesessen. Er soll zwei Frauen erstochen haben. Jetzt will er seine Unschuld beweisen. Doch das Landgericht Bad Kreuznach hat eine Wiederaufnahme des Falls abgelehnt.

Der Fall hat im vergangenen Jahr bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Klaus Bräunig durfte im September nach mehr als 53 Jahren Haft die Justizvollzugsanstalt Diez verlassen. Seine Strafe – lebenslang mit besonderer Schwere der Schuld – war zur Bewährung ausgesetzt worden. Das Landgericht Mainz hatte Bräunig verurteilt, im Jahr 1970 eine Mainzer Kinderärztin und deren Tochter in deren Haus erstochen zu haben. Das Urteil wurde hauptsächlich auf der Grundlage von Indizien gefällt.

Nach 53 Jahren Haft: Kampf um Freispruch

Der heute 79-Jährige beteuert seine Unschuld, kämpft mit seiner Anwältin um die Wiederaufnahme des Verfahrens. Doch die lehnte das Landgericht Bad Kreuznach im Februar ab, wie der SWR jetzt exklusiv erfuhr. "Eine Wiederaufnahme erachtet das Landgericht Bad Kreuznach als unzulässig, weil die neu vorgelegten Tatsachen der Verteidigerin nicht für eine geringere Strafe oder Freisprechung geeignet sind", begründet ein Gerichtssprecher die Entscheidung.

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Gutachten stellt Geständnis in Frage

Bräunigs Rechtsanwältin hatte die Wiederaufnahme vor allem auf zwei Säulen gestützt. Die erste besteht aus einem Gutachten einer Rechtspsychologin aus dem Jahr 2022, das sich mit falschen Geständnissen befasst. Bräunig hatte damals die Tat mehrfach gestanden, die Geständnisse aber widerrufen. "Aus dem Gutachten geht hervor, dass bei Tötungsdelikten im Schnitt 22 Prozent der Geständnisse falsch sind", so der Gerichtssprecher.

Besonders hoch ist das Risiko dem Gutachten zufolge bei Menschen mit intellektuellen Einschränkungen, wozu Bräunig gehöre. Ein weiteres Risiko für ein falsches Geständnis sei Bräunigs Unsicherheit, die ihn leicht beeinflussbar mache. Zudem sei er sechs Tage in Folge vernommen worden und die Vernehmung sei geständnisorientiert verlaufen. Auch das erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines falschen Geständnisses, so das Gutachten.

Doppelmord 1970: Zeuge gibt Hinweise auf Alternativtäter

Die zweite Säule ist ein weiterer Zeuge, der sich durch die Medienberichterstattung rund um Bräunigs Haftentlassung im vergangenen September gemeldet hat. Er sagte zu einem weiteren Verdächtigen aus. Eine wichtige Rolle bei diesem sogenannten Alternativtäter spielt dem Gerichtssprecher zufolge eine Waffe, die bei den Mordopfern gestohlen wurde, eine Smith & Wesson, Kaliber 22.

Später sei ein weiterer Mord verübt worden, der bis heute ungeklärt ist. Die Tatwaffe soll Kaliber 22 gehabt haben. Der Alternativtäter und das Opfer sollen sich laut Verteidigung gekannt haben. Die Frage, die sich stellt: Hat der neue Verdächtige die Waffe bei den Frauen gestohlen und damit erneut gemordet? Eine Frage, die der Alternativtäter heute nicht mehr beantworten kann, denn im Jahr 2013 hat er erst seine Frau, dann sich selbst erschossen. Dazu benutzte er laut Ermittlungsergebnissen eine Smith & Wesson, Kaliber 22. Also erneut die Waffe, die gestohlen wurde?

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Richter von Argumenten der Verteidigerin nicht überzeugt

Doch die Fragen und Argumente haben das Landgericht Bad Kreuznach nicht überzeugt. Mit Blick auf die Waffe sagte der Sprecher, dass bislang unklar sei, mit welcher Waffe der spätere Mord passiert sei. Sicher sei nur Kaliber 22, aber nicht, ob es sich um eine Smith & Wesson handelte. Und laut einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft habe der Alternativtäter die Waffe, die nach seinem Suizid bei ihm gefunden wurde, 1983 in einem Mainzer Waffengeschäft gekauft. Damit dürfte sie nicht aus der Wohnung der getöteten Frauen stammen.

Ein weiterer Punkt, mit dem das Landgericht der Ausführung der Anwältin entgegentritt: "Der Alternativtäter war bei den Ermittlungen damals schon bekannt. Der Verdacht hatte sich aber nie erhärtet." Damit sei diese Säule des Wiederaufnahmeantrags nicht belastbar.

Landgericht Mainz hat offenbar sauber gearbeitet

Gleiches treffe auf die Argumente zu den Risiken einer Falschaussage zu: "Bei seinem Urteil hat das Landgericht Mainz damals schon sämtliche Gesichtspunkte für ein falsches Geständnis berücksichtigt und nachvollziehbar begründet, warum in diesem Fall kein falsches Geständnis vorlag", so der Gerichtssprecher. So habe Bräunig zum Beispiel ganz spezifische Ortskenntnisse vom Haus der getöteten Frauen gehabt, der die Richter vom Landgericht Mainz damals zu dem Schluss hatte kommen lassen, dass Bräunig in dem Haus gewesen sein muss. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn am Tatort waren von Bräunig keine Fingerabdrücke oder Blutspuren gefunden worden.

Oberlandesgericht Koblenz entscheidet als letzte Instanz

Unterm Strich hält das Landgericht Bad Kreuznach die beiden Säulen des Wiederaufnahmeantrags für nicht belastbar genug. Bräunigs Anwältin hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts Bad Kreuznach eingelegt. Der Beschluss ist damit noch nicht rechtskräftig.

Jetzt beschäftigt sich das Oberlandesgericht Koblenz mit dem Wiederaufnahmeantrag. Sollte auch diese Instanz eine Wiederaufnahme ablehnen, wäre der Beschluss rechtskräftig. Dann bliebe Bräunig und seiner Anwältin nur noch, eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen.

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