Jason Reilly (Stuttgarter Ballett) in "MONO LISA" von Itzik Galili

Tänzer des Jahres 2023

Jason Reilly: Ein Ausnahmetänzer am Stuttgarter Ballett

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AUTOR/IN
Theresa Berwian
Theresa Berwian, Team SWR Kultur
ONLINEFASSUNG
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Jason Reilly gilt als einer der herausragendsten Tänzer seiner Generation. Seit zwanzig Jahren tanzt er als Erster Solist am Stuttgarter Ballett, bereits seit 25 Jahren ist er Mitglied der Compagnie. In diesem Jahr wurde Reilly als „Tänzer des Jahres“ ausgezeichnet. Bald wird er auch im Kino zu sehen sein.

Jason Reilly ist „Tänzer des Jahres 2023“

Jason Reilly ist ein großer Tänzer, breite Schultern, muskulös – und tätowiert. Dem Klischee des galanten Ballett-Prinzen aus „Schwanensee“ oder „Dornröschen“ entspricht er damit eher weniger und sieht sich so auch nicht. Doch dank Kostüm, Maske und überschminkten Tattoos wird Reilly auf der Bühne dann doch zum Prinzen oder Romeo, wenn das die Rolle erfordert.

Das Publikum in Stuttgart begeistert er seit mehr als zwanzig Jahren mit seiner unverwechselbaren Erscheinung und seinen tänzerischen Fähigkeiten. Und auch Kritikerinnen und Kritiker sind überzeugt von Jason Reilly. Die Zeitschrift „Tanz“ befragt alljährlich 32 von ihnen zu ihren Favoriten aus der vergangenen Spielzeit.

Das Ergebnis: Jason Reilly wird 2023 als „Tänzer des Jahres“ ausgezeichnet. Für das Stuttgarter Ballett, das seit den 1970er-Jahren zu den weltweit führenden Ensembles zählt, und natürlich auch für Reilly selbst, ist das ein Grund zu feiern.

Seit 25 Jahren tanzt der Kanadier in Stuttgart

Mit 17 Jahren kam Reilly nach seiner Ausbildung an der National Ballet School in Toronto nach Stuttgart, auf Einladung von Ballettintendant Reid Anderson. Der erste Auftritt auf der Bühne des Stuttgarter Opernhauses erfolgte 1997, 2003 wurde er zum Ersten Solisten ernannt. 2015 erhielt er den Titel Kammertänzer, ein Ehrentitel des Landes Baden-Württemberg, der nur selten verliehen wird.

Jason Reilly in "Letters of Others" (Bridget Breiner).
Der Kanadier Jason Reilly ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten im Ensemble des Stuttgarter Balletts. Als Erster Solist tanzt er seit zwanzig Jahren an einem der führenden Häuser der Welt. Bild in Detailansicht öffnen
Jason Reilly (Fotoshooting 2003)
Der damalige Stuttgarter Ballett-Intendant Reid Anderson holt den 17-jährigen Tänzer 1997 an sein Haus. Reilly bewährt sich und steigt mit 23 in die Riege der Ersten Solisten auf (Bild von 2003). Bild in Detailansicht öffnen
Initialen R.B.M.E. (John Cranko) mit Jason Reilly
Das klassische Repertoire von John Cranko gehört in Stuttgart natürlich fest dazu. Reilly tanzt alle großen Cranko-Choreografien, darunter auch Crankos Ode an die Freundschaft „Initialen R.B.M.E.“ von 1972. Bild in Detailansicht öffnen
Alicia Amatriain als Tatjana and Jason Reilly als Onegin in Crankos Ballett "Onegin"
In Crankos Handlungsballetten findet Reilly auch eine seiner Paraderollen: die des unglücklich verliebten Dandys Eugen Onegin in „Onegin“, hier an der Seite von Alicia Amatriain als Tatjana Larina. Bild in Detailansicht öffnen
Katja Wünsche als Desdemona und Jason Reilly als Othello im Ballett von John Neumeier
Reillys Kraft und expressiver Tanz prädestinieren ihn für besonders dramatische Tanzrollen, etwa den von Eifersucht zerfressenen Othello in John Neumeiers gleichnamigem Ballett, der seine Frau Desdemona (Katja Wünsche) in Rage erwürgt. Bild in Detailansicht öffnen
Requiem (Kenneth MacMillan) mit Jason Reilly
Auch in Choreografien anderer Ballett-Koryphäen des 20. Jahrhunderts brilliert Reilly in Stuttgart. Darunter etwa Kenneth MacMillans „Requiem“, das der Brite 1976 zu Ehren des überraschend verstorbenen John Cranko schuf. Bild in Detailansicht öffnen
Jason Reilly und Maria Eichwald in "Voluntaries" (Glen Tetley)
In Glen Tetleys „Voluntaries“ konnte Reilly seinen Umgang mit der Bewegungssprache des Modern Dance unter Beweis stellen. Tetley schuf die Choreografie für das Stuttgarter Ballett, dessen Leitung er nach dem plötzlichen Tod Crankos für zwei Spielzeiten übernahm. Bild in Detailansicht öffnen
Jason Reilly und Filip Barankiewicz vom Stuttgarter Ballett in "Kleines Requiem" des Choreografen Hans van Manen.
Bis auf weiteres bleibt Jason Reilly (hier mit Filip Barankiewicz in Hans van Manens „Kleinem Requiem“) dem Stuttgarter Ballett treu. Im kommenden Jahr wird er auch in einem Film über den Stuttgarter Ballettgründer Cranko mitwirken. Bild in Detailansicht öffnen

Mit der männlichen Titelrolle in Crankos „Romeo und Julia“ machte Reilly schon 2003 auf einer USA-Tournee des Stuttgarter Balletts international auf sich aufmerksam.

In seinen 25 Jahren in der Stuttgarter Compagnie war er in zahlreichen tragenden Rollen zu sehen: Er tanzte beispielsweise Hauptrollen in John Crankos klassischen Handlungsballetten „Onegin“ und „Der Widerspenstigen Zähmung“. Die Rolle des Petrucchio gilt mittlerweile als eine von Reillys Paraderollen.

Paraderolle für Reilly: Petrucchio in Crankos „Der Widerspenstigen Zähmung“

Reilly inspiriert die Choreografen

Nach Angaben des Stuttgarter Balletts hat Reilly in über 40 Uraufführungen mitgewirkt, viele davon von namhaften Choreografinnen und Choreografen. Teilweise seien die Hauptrollen extra für ihn geschaffen worden, erklärt das Stuttgarter Ballett. John Neumeier, Mauro Bigonzetti, Christian Spuck oder Bridget Breiner kreierten Rollen für Jason Reilly.

Reillys Einfluss auf das Stuttgarter Ballett ist unbestritten groß, ein Star der Stuttgarter Compagnie. Ballettintendant Tamas Detrich beschreibt ihn als herausragende Bühnenpersönlichkeit und „Weltklasse als Tänzer“.

Jason Reilly vom Stuttgarter Ballett in der Rolle des Othello.
Jason Reilly inspiriert die großen Choreografinnen und Choreografen des modernen Balletts. Mit seinem tänzerischen Ausdruck und seiner enormen Bühnenpräsenz füllt Reilly die Titelrolle in John Neumeiers Shakespeare-Ballett „Othello“ bestens aus.

Mit der Wahl zum Tänzer des Jahres lobt Tanzkritikerin Angela Reinhardt auch Reillys Natürlichkeit und Spontaneität. Er sei ein „nie auf ein Klischee festzulegender Interpret“ und ein „perfekter Partner für so viele Stuttgarter und internationale Ballerinen.“

Im kommenden Jahr auch im Kino zu sehen

Voraussichtlich im kommenden Jahr wird Jason Reilly auch den Sprung auf die Kinoleinwand schaffen. In einem Biopic über den legendären Stuttgarter Ballett-Direkter John Cranko spielt und tanzt der Kanadier die Rolle des Tänzers Ray Barra, der 1962 als Romeo an der Seite von Marcia Haydées Julia zu Weltruhm gelangte.

Dass er ausgezeichnet wurde, kann Reilly selbst noch gar nicht richtig fassen. Es gebe so viele Tänzer, die eine viel bessere Technik hätten als er, sagt Reilly. Und trotzdem: Er fühle sich sehr geehrt, auch wenn er es selbst noch nicht ganz glauben könne, „Tänzer des Jahres“ zu sein.

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