Zeitgenossen

Yuval Lapide: „Jesus war viel judenfreundlicher.“

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Esther Saoub

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Viel Missinterpretation gab es  im Laufe von 2000 Jahren zwischen Christen und Juden. Daher begleitet die Verständigung zwischen beiden Seiten den jüdischen Religionswissenschaftler Yuval Lapide seit seiner Geburt. Er ist der Sohn von Ruth und Pinchas Lapide. Beide mussten vor Nazideutschland nach Palästina fliehen und haben sich dort als Kenner des Alten und des Neuen Testaments einen Namen gemacht.

Ausgerechnet Deutschland

Anfang der 1970er Jahre zogen sie dann mit ihrem Sohn Yuval nach Deutschland, um Versöhnungsarbeit zu leisten zwischen deutschen Christen und Juden, oder, wie Ruth Lapide es ausgedrückt hat: „Damit sich solch ein Übel niemals wiederhole“. In ihrer Umgebung stießen sie damals auf Unverständnis. Doch die Eltern haben ihren Schritt nie bereut und blieben bis an ihr Lebensende in Frankfurt. Sohn Yuval besuchte ein Frankfurter Gymnasium – die Situation als einziger Jude der Schule beschreibt er im Rückblick als unproblematisch. Da samstags Schule war, er aber den Sabbat einhielt, schrieben die Klassenkameraden mit Durchschlagpapier den Stoff für ihn mit.

Keine ‚Luftgeschäfte‘ studieren

Nach dem Abitur ging es erstmal in eine Banklehre, das war der Wunsch der Mutter: der Junge sollte was ‚Richtiges‘ lernen, keine „Luftgeschäfte“, wie sie es nannte. Nach 12 Jahren in der Bank studierte Yuval Lapide dann doch Judaistik und trat in die Fußstapfen seiner Eltern. Seither steht er in ständigem Austausch mit christlichen und jüdischen Religionswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern.

„Schwierige Stellen beim Namen nennen, nicht übergehen“

Besonders die Texte zur Passion und Auferstehung wurden über 2000 Jahre Kirchengeschichte immer wieder missinterpretiert, sagt Lapide. Natürlich sollten sie weiter erzählt werden, allerdings begleitet durch Kommentare. Schwierige Stellen müsse man beim Namen nennen, nicht übergehen, rät der Religionswissenschaftler, damit klar werde, wie die Texte zur Zeit Jesu gemeint waren.

Christlicher Wissensmangel und Wissenshunger

„Es gibt immer noch an der christlichen Basis einen großen Wissensmangel aber gleichzeitig einen großen Wissenshunger“, sagt der Religionswissenschaftler Lapide. Er wünscht sich die Fortsetzung der ‚Bildungsoffensive‘, die seine Eltern und ihre wissenschaftlichen Zeitgenossen begonnen haben. Das sei er diesen Menschen der ersten Stunde schuldig.

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Esther Saoub