Zum ersten Mal ist es gelungen, funktionsfähige Gehirnzellen von Ratten in das Gehirn von Mäusen einzupflanzen. Das Ergebnis: ein chimäres Mischhirn.

Zoologie

Forschende züchten Mischhirn aus Maus und Ratte

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Nina Kunze
Nina Kunze ist Reporterin und Redakteurin bei SWR Wissen aktuell
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Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.

Zum ersten Mal ist es gelungen, funktionsfähige Gehirnzellen von Ratten in das Gehirn von Mäusen einzupflanzen. Das Ergebnis: ein chimäres Mischhirn.

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Chimäre - Mischwesen aus verschiedenen Individuen

Der Kopf eines Löwen, der Körper einer Ziege, der Schwanz einer Schlange – so sieht das Chimären-Mischwesen in der griechischen Mythologie aus. In der Forschung spricht man von einer Chimäre, wenn ein Lebewesen aus Zellen von mehr als einem Individuum besteht.

Ratten und Mäuse stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab, der vor etwa 80 Millionen Jahren lebte | Abbildung einer Ratte
Ratten (im Bild) und Mäuse stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab, der vor etwa 80 Millionen Jahren lebte.

Hirn von Mäusen mit Zellen von Ratten

So eine Chimäre zu erzeugen, war das Ziel der Studienautoren aus den USA und China. Dazu verwendeten sie Mäuse-Embryonen, deren Erbgut so verändert ist, dass sich ein Teil des Gehirns im Mutterleib nicht mitentwickelt.

Forschende haben ein Mischhirn aus Maus und Ratte gezüchtet.
Forschende haben ein Mischhirn aus Maus und Ratte gezüchtet.

In einem frühen Entwicklungsstadium setzten sie Mäuse-Embryos Stammzellen einer Ratte ein. Diese Embryos entwickelten den fehlenden Teil des Gehirns dann trotzdem – aus den Zellen der Ratte. Das Besondere daran: Die beiden Teile des Gehirns verschalteten sich zu einem funktionierenden System. Mäuse ohne funktionierenden Geruchssinn erlangten so beispielsweise die Fähigkeit zu riechen zurück.

Anwendung in der Medizin?

Es klingt, als würden Menschen Gott spielen. Doch das eigentliche Ziel ist es, eines Tages Krankheiten besser behandeln zu können. Das Verfahren hilft, Vorgänge bei der Entwicklung von Gehirn- und Nervenzellen besser zu verstehen. Mit diesem Wissen könnten neue Ansätze entstehen, um Schädigungen des Nervensystems zu behandeln, zum Beispiel bei Parkinson oder nach einem Schlaganfall.

Von diesem Ziel ist die Forschung aber noch weit entfernt. Fachleute sehen die Ergebnisse dennoch als wichtigen Schritt in der Grundlagenforschung, auf einem Feld, in dem sich ohnehin gerade sehr viel entwickelt. Methoden wie diese gelten auch als Wegbereiter, um menschliche Organe in Tieren zu züchten und so den Mangel an Spenderorganen zu beheben.

Ethische Bedenken bei der Erzeugung von "Mischwesen"

Doch hier zeigen sich auch die ethischen Bedenken hinter Experimenten wie diesem. Die Grenzen zwischen Tierarten verschwimmen zunehmend.

Stammzellforschung Erstmals Lebendgeburt eines chimären Affen

Forschende in China haben erstmals ein sogenanntes chimäres Affenbaby erschaffen. Das Javaneraffenbaby trug neben seinen eigenen Zellen einen großen Anteil an Zellen eines weiteren Javaneraffen in sich. Experten werten das als großen Erfolg, der in Zukunft eine Grundlage für wichtige medizinischen Anwendungen sein könnte.

Vor allem bei Versuchen mit Primaten oder sogar menschlichen Zellen stellt sich die Frage, ob die entstandenen Mischwesen einen anderen moralischen Status bekommen müssten. Denn gerade das Gehirn ist etwas, was uns Menschen von anderen Arten unterscheidet – ähnliche Versuche mit menschlichen Stammzellen gelten deshalb als ethisch nicht vertretbar.

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