Tigermücke

Biologie

Tigermücken gezielt bekämpfen mit Gentechnik

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AUTOR/IN
Hannah Schwarz
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Leila Boucheligua

Invasive Stechmücken wie die asiatische Tigermücke werden bei uns in Deutschland immer häufiger. Das Problem: Sie können Krankheiten übertragen. Forschende aus Hessen haben nun eine Methode entwickelt, um spezielle Mückenarten gezielt auszuschalten – ohne anderen Insekten oder der Umwelt zu schaden.

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Die Population der Tigermücken in den Rheinauen südlich von Karlsruhe hat sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt. Das ist ein Problem, denn Tigermücken sind nicht nur lästig, sie können die Erreger tropischer Krankheiten übertragen, wie das Zikavirus oder das Dengue-Virus, das das Dengue Fieber auslöst. Mit wachsender Mückenpopulation steigt also auch das Risiko einer Verbreitung dieser Krankheiten.

Zwar ist die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch die Tigermücke derzeit noch gering, aber Artur Jöst von der KABS, der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage, warnt: 

Die Wahrscheinlichkeit steigt, wenn nun nach Corona vermehrt wieder Menschen in den Urlaub fahren und dann die Viren mit zu uns nach Deutschland bringen. Dazu kommen hohe Temperaturen. Der dritte Faktor ist, dass wenn die Populationen zunehmen, wir mehr von diesem Vektor haben, der in der Lage ist, diese Viren auf uns zu übertragen. Augenblicklich ist das Risiko noch recht gering, aber es steigt.

Deswegen ist es wichtig, die invasiven Mücken zu bekämpfen, bevor sie zu Überträgern werden. Am hessischen LOEWE Zentrum für translationale Biodiversitätsgenomik wurde jetzt eine Methode entwickelt, mit der spezielle Mückenarten gezielt ausgeschaltet werden können. Andere Insekten und die Umwelt sollen dabei nicht zu Schaden kommen.

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Bisher kaum zugelassene Bekämpfungsmethoden

Die Möglichkeiten in der Stechmückenbekämpfung sind in Deutschland durch den strengen Insektenschutz limitiert. Neben dem Einsatz von sterilen Mücken-Männchen, die beispielsweise durch Bestrahlung unfruchtbar gemacht wurden, gibt es kaum andere zugelassene Bekämpfungsmethoden.

Wir setzen als einziges Mittel, um die Tigermücken zu bekämpfen das biologische Mittel BTI ein. Das ist ein Proteinkomplex, den wir ausbringen, der selektiv Mückenlarven abtötet. Das ist das einzige Mittel, das uns derzeit zur Wahl steht, um Stechmückenlarven zu bekämpfen.

Neue Technologie kann Stechmückenarten gezielt bekämpfen

Allerdings wirkt BTI gegen alle Mückenlarven – also auch gegen heimische Stechmücken. Die neue Technologie, die ein Konsortium von Frankfurter und Gießener Forschenden entwickelt hat, kann die jeweilige Stechmückenart gezielt bekämpfen.

Bei der sogenannten RNA-Interferenz Methode bekommen Mückenlarven im Verbreitungsgebiet Nahrung, die doppelsträngige Ribonukleinsäuren, kurz RNAs enthält. Diese schalten überlebenswichtige Gene der Larven aus. Biologe Andreas Vilcinskas war maßgeblich an der Entwicklung beteiligt: 

Das Besondere ist jetzt, dass die Methode, da sie auf einer RNA basiert, sehr artspezifisch ist. Das heißt, nur wenn die Zielart das aufnimmt, führt das dazu, dass sie stirbt. Alle anderen, selbst nah verwandte Arten, werden nicht beeinträchtigt. Es ist also eine Methode, die für andere Insekten und den Menschen ungefährlich ist.

Haltbarkeit der RNA ist eine Schwierigkeit

Die RNA hinterlässt keine toxischen Reste in der Umwelt. Andreas Vilcinskas erklärt, dass die doppelsträngige RNA umso mehr Informationen enthält, je länger sie ist. Damit sie spezifisch gegen die Tigermücken wirken kann, muss sie also eine gewisse Länge haben. 

Andererseits zerfällt die RNA, wenn sie zu lang wird. Genau hier liege laut Vilcinskas die Schwierigkeit. Die RNA müsse so verpackt werden, dass sie eine Weile in der Umwelt verbleibt, um von den Insekten aufgenommen werden zu können – das ist Championsleague, sagt der Forscher.

Um die RNA passend zu generieren, braucht es detaillierte Informationen zu den Genen der jeweils zu bekämpfenden Art. Dazu müssen die einzelnen Genome sequenziert werden.

Es gibt mittlerweile auch moderne Methoden, die auf Umwelt-DNA basieren. Das heißt, man nimmt zum Beispiel eine Wasserprobe, filtriert sie und sequenziert alles, was darin ist. Wenn ich das Genom der invasiven Mücke finde, dann kann ich sie auch nachweisen. So kann zum Beispiel ein flächendeckendes Monitoring durchgeführt werden. Das ist sozusagen wie ein Feuermelder.

Die behördliche Zulassung steht noch aus

Wann genau die neue Methode zugelassen wird, lässt sich – so Vilcinskas – schwer abschätzen. Das Problem sei, dass die doppelsträngige RNA kein herkömmliches Pestizid oder biologisches Mittel ist. Daher könne keine der zuständigen Behörden die RNA zulassen. Dennoch ist schon Bewegung in die Sache gekommen.

Das Potential der umweltfreundlichen Methode werde bereits von den zuständigen Behörden, wie dem Bundesumweltamt und dem Bundesamt für Risikobewertung erkannt, sagt Vilcinskas. Seiner Einschätzung nach, werde es nicht mehr lange bis zu einer Zulassung dauern, gerade auch weil es in nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit große Bestrebungen gibt, das Verfahren nutzbar zu machen.

Zukünftig auch ein Einsatz in der Landwirtschaft denkbar

Und es gibt noch einen Vorteil: Die Methode kostet nicht viel. Auch Artur Jöst von der KABS glaubt, dass das neue Verfahren die Stechmückenbekämpfung wirksam unterstützen könnte.

Möglicherweise kann die neue Methode auch in anderen Bereichen eingesetzt werden, wie in der Landwirtschaft. Denn auch hier ist in Zukunft mit immer mehr invasiven Schädlingen zu rechnen. Die könnten dann gezielt bekämpft werden, ohne anderen Insekten oder dem Menschen zu schaden.

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