Mit der Ausstellung „Surface Treatments – 150 Jahre Zeit“ zeigt die Städtische Galerie Esslingen ihre eigene Vergangenheit und die zugleich die Geschichte der Villa Merkel. Anlass ist ein doppeltes Jubiläum: das imposante Gebäude feiert seinen 150. Geburtstag, die Städtische Galerie ihren 50. Geburtstag. Eine Jubelschau ist diese Ausstellung allerdings nicht: Gezeigt werden viel Schmutz, Staub, Dreck und hässliche Geschichten.
Ein Haus wird ausgestellt. Aber es ist nicht das zu erwartende Feiertags-Schöner-Wohnen-Gesicht. Kein edles Mobiliar, keine wertvolle Deko. Sondern fast leere Räume, rohe Wände, bröckelnder Putz, offene Mauerstellen, Staub und Türen mit hässlichen schwarzen Dreckschlieren. Mit anderen Worten: schlecht geputzt.
Anti-Ausstellung eines Doppeljubiläums
Kuratorin Laura Becker hat die mutige Entscheidung getroffen, das Doppeljubiläum in einer Anti-Ausstellung zu zeigen. Sie wollte wissen, was unter der Oberfläche des Hauses verborgen liegt, was normalerweise gerade nicht zum Vorschein kommen soll.
Die Villa wurde daher Schicht für Schicht auf ihr ursprüngliches Dasein als Wohnhaus zurückgebaut, nachträgliche Einbauten entfernt, alte Fenster freigelegt, mehr als 40 eingelagerte Türen wieder eingesetzt. Bei einem Rundgang durch die Villa darf man sich nun auf Spurensuche begeben – bis in den letzten Dachwinkel hinein zu Orten, die normalerweise für das Publikum nicht zugänglich sind. Und überall spricht und flüstert das Haus, erzählt von dem, was es in 150 Jahren beobachtet hat.
Kriegstagebucheintrage von 1944
So hat Hans Merkel, Mitinhaber der Kammgarnspinnerei Merkel & Kienlin, die Ereignisse des Jahres 1944 in seinem Kriegstagebuch beschrieben. In einer alten dunklen Abstellkammer im ersten Obergeschoss kann man seinen Notizen lauschen.
Der Inhaber verschwieg Zwangsarbeiter*innen seiner Firma
Es ist ein erfolgreiches Unternehmen, das Oskar Merkel 1869 von seinem Vater übernimmt. Nicht nur einfach eine Manufaktur, sondern ein für damalige Verhältnisse hoch moderner Betrieb mit Dampfmaschinen und Gasbeleuchtung, in der Strick- und Kammgarn produziert wird.
Die „Esslinger Wolle“ ist ein weltbekannter Verkaufsschlager, der den Wohlstand der Familie sichert. Nur vier Jahre nachdem er die Geschäfte übernommen hat, leistet sich Oskar Merkel den Neubau einer stattlichen Villa. Ein imposantes Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kammgarnspinnerei, in der vor allem Frauen schuften. Lange Arbeitstage von 12 – 13 Stunden bei niedrigem Lohn sind die Regel. In der Textilindustrie des 19. Jahrhunderts werden keine großen Qualifikationen vorausgesetzt, was aus den Frauen zumeist ungelernte Arbeitskräfte auf Lebenszeit macht.
Was der Unternehmer verschweigt oder was ihn vielleicht nicht berührt hat, berichtet als Zeitzeuge das Haus, das das Leben der nebenan untergebrachten Zwangsarbeiter der Kammgarnspinnerei beobachtet hat.
Ein Haus als Zeitzeuge
Die harte Frauenarbeitswelt in der Manufaktur findet in der mondänen Villa Merkel keine Beachtung. Die schweren Doppeltüren und Fenster sind verschlossen, der Lärm bleibt draußen. Diese Geschichten haben die drei Künstlerinnen Ann-Kathrin Müller, Julia Schäfer und Judith Engel freigelegt.
Im Zusammenspiel mit Ihren Kolleginnen hat Judith Engel die Texte erstellt, die in den Räumen der Villa einen besonderen Blick auf Geschichte und Gegenwart des Hauses werfen. Auf die Verbindung von erfolgreichem Unternehmertum einerseits und den Schattenseiten der Lohnarbeit andererseits
Es sind viele Schichten, die diese Ausstellung frei legt: vom hellblauen Anstrich der amerikanischen Besatzungseinheit, 60 Soldaten, die das Haus bevölkerten, bis zum Glashimmel der Villa, wo die Hausmädchen unterm Dach in unbeheizten Zimmerchen schlafen mussten. Eine spannende, höchst empfehlenswerte Entdeckungsreise. Gern in Socken, die extra für diese Ausstellung angefertigt wurden.
Erweiterung statt Neubau Leiterin des Linden-Museums Stuttgart: Umbau ist eine „sehr gute Entscheidung“
Die Leiterin des Stuttgarter Völkerkundemuseum, Ines De Castro, zeigt keine Enttäuschung darüber, dass der von ihr seit über 10 Jahren geforderte Neubau des Museums nicht realisiert wird. Der jetzt vom Land und Stadt beschlossene Umbau des 1911 erbauten, denkmalgeschützten Museums plus Erweiterungsbau gegenüber, sei für alle eine „konkrete Perspektive“.
Im alten Haus gebe es „erhebliche bauliche Defizite“, man könne hier nichts Zukunftsträchtiges mehr präsentieren. Die Nordamerikaabteilung mit z. T. weltbekannten Exponaten, die zur Zeit aus Platzgründen nicht gezeigt werden kann, könne nach einem Umbau „garantiert“ gezeigt werden, als kleinere Präsentation und in Zusammenarbeit mit den „Herkunftsgesellschaften“ der Exponate.
Eine temporäre Schließung des Museums sei bei beiden Modellen – Neubau oder Umbau –
unabdingbar. Der Zeitplan stehe noch nicht fest, denn erst werde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.
Auszeichnung für ein offenes Haus Ein Museum, das auch Treffpunkt ist – Das Ludwigsburg Museum erhält den Lotto Museumspreis Baden-Württemberg
Anerkennung für ein modernes Stadtmuseum, das auch im öffentlichen Raum Präsenz zeigt: Der Lotto Museumspreis Baden-Württemberg geht 2023 an das Ludwigsburg Museum im MIK.
Sonderausstellung im Augustinermuseum Freiburg Wie ein sächsischer Maler den Schwarzwald erfand
Bollenhut und idyllische Landschaften – der sächsische Maler Wilhelm Hasemann inszenierte in seiner Wahlheimat Gutach den Schwarzwald, wie er nie war. Seine Bilder und illustrierten Ansichtskarten von paradiesischen Zuständen in einer eher armen Region verfestigten das Klischee vom Schwarzwald als Ort der glücklichen Menschen und unberührten Natur. Das Klischee hält sich bis heute.